Wie bereits weiter oben erwähnt, gibt es bislang keine spezifischen kontrollierten Behandlungsuntersuchungen zu den ESNNB (eine Ausnahme bilden dabei die Studien zur Behandlung der BED, siehe Kapitel 3) – dies |75◄ ►76|
obwohl diese Essstörung sowohl sehr häufig vorkommt als auch von ↑ klinisch relevanter Ausprägung ist. Basierend auf dem transdiagnostischen Modell der Essstörungen haben Fairburn et al. (2003) einen Behandlungsansatz entwickelt, der für den ganzen Essstörungsbereich als Behandlungsmethode anzuwenden ist und somit auch für die ESNNB.
Was beinhaltet der transdiagnostische Ansatz zur Behandlung von Essstörungen?
Für die Anwendung des von Fairburn et al. (2003) entwickelten Behandlungsansatzes spielt die spezifische Essstörungsdiagnose keine Rolle mehr, da die dahinter stehende Theorie davon ausgeht, dass alle Essstörungen gemeinsame aufrechterhaltende Faktoren haben. Der Behandlungsansatz basiert auf dem kognitiv-behavioralen Modell der Bulimia Nervosa (siehe den Abschnitt „Behandlung“ in Kapitel 2), ist jedoch ergänzt um vier zusätzliche spezifische aufrechterhaltende Mechanismen. Diese vier Mechanismen sind:
• stark ausgeprägter Perfektionismus
• Selbstwertproblematik (grundlegend und übergreifend tiefer Selbstwert)
• Schwierigkeiten / Defizit im Umgang mit intensiven Emotionen
• interpersonale Schwierigkeiten
Bei jenen Patienten, die unter deutlichem Untergewicht leiden, konzentriert sich die Behandlung zu Beginn auf die Gewichtszunahme, daran anschließend erfolgen die restlichen Bestandteile der Therapie. Die Behandlung ist in vier Stufen aufgebaut:
• Intensive Initialphase (zwei Sitzungen pro Woche) mit dem Fokus auf ↑ Psychoedukation und Erarbeitung eines individuellen Störungsmodells;
• Übersicht über den bisherigen Behandlungsverlauf sowie Identifikation von Hindernissen, die Veränderungen im Wege stehen; Erfassung der vier oben erwähnten spezifischen / zusätzlichen Mechanismen, die die Essstörung aufrechterhalten (transdiagnostisches Modell);
• Basierend auf dem individuellen Störungsmodell liegt der Fokus der längsten Behandlungsphase auf der Veränderung der Essstörungspsychopathologie (beispielsweise die übermäßige Bewertung von |76◄ ►77|
Essen, Figur und Gewicht) sowie auf der Veränderung der zusätzlichen / spezifischen die Störung aufrechterhaltenden Faktoren.
• In der letzten Phase ist der Fokus auf die Aufrechterhaltung der etablierten Veränderungen gerichtet.
Im Zentrum des transdiagnostischen Ansatzes stehen die vier beschriebenen individuellen aufrechterhaltenden Mechanismen – diese werden mittels kognitiv-verhaltenstherapeutischer Interventionen (↑ Kognitive Verhaltenstherapie) analysiert und verändert.
Kernaussage
Momentan erfolgt die empirische Überprüfung des transdiagnostischen Behandlungsmodells, und erste kontrollierte Untersuchungen zeigen, dass der Behandlungsansatz zur Behandlung von Essstörungen wirksam ist (Wilson et al. 2007).
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